Schulleben

Unterhaltsame Theateraufführung

22. November 2021

Theater am GG: "Der Hölderlin isch et verruckt gwä?!"

Eichstätt - Gibt es Einhörner? Wer am Dienstag in der Aula des Gabrieli-Gymnasiums die Premiere des Theaterstücks "Im Turm" erlebt hat, kann sich da der Antwort nicht mehr so sicher sein. Denn die junge dreiköpfige Mittelstufen-Theatertruppe agierte hier als ein Trio von Einhörnern auf drei Türmen und zeigte auf, wie im Geist Hölderlins Unsinn Sinn ergibt und ein Ja zugleich ein Nein sein kann, was Hölderlin "Pallaksch" nennt. Erstmals seit zwei Jahren war damit auf der GG-Bühne wieder Theater zu erleben und die kleine Spieltruppe um Regisseur Bernhard Obermeier kostete diese Chance aus. Mit der Collage "Im Turm" bot man eine Hommage an Friedrich Hölderlin (1770-1843), dessen 250. Geburtstag voriges Jahr zu begehen war: Bereits da sollte "Im Turm" gezeigt werden. Man weiß, warum dies nicht möglich war.

Die pausenfreie Szenenfolge des Drei-Personen-Stücks greift zunächst auf Texte des Dichters zurück, die in die Epochen der Weimarer Klassik und der Romantik fallen, ohne sich diesen zuordnen zu lassen. Zitiert werden Partien aus Hölderlins lyrischem Briefroman "Hyperion", worin der in Griechenland lebende Titelprotagonist seinem Freund Bellarmin von seinem Leben und seinen Lektüren der griechischen Geschichte und Götterwelt erzählt und das heldenhafte Verhalten der Bevölkerung in deren Befreiungskrieg gegen die Türken ebenso verklärt, wie die Schönheit und Reinheit der Natur. Auch werden etliche Passagen aus den Oden und Elegien des Dichters zitiert.

Doch damit begnügt sich das Spiel nicht: Zu finden sind auch Anspielungen auf Thomas Manns "Zauberberg", Passagen aus Shakespeares "Hamlet" oder von Christoph Martin Wieland.

Die Szenen stellen in Frage, ob Friedrich Hölderlin, der als geisteskrank galt und 36 Jahre lang bis zu seinem Tod im Turmzimmer des Tübinger Schreinermeisters Zimmer lebte, denn wirklich verrückt war. In breitestem Schwäbisch wird widersprochen: "Der Hölderlin isch et verruckt gwä!" Die Macht des Rationalen wird in Frage gestellt, das Recht des Traums und der Fantasie eingefordert: "O ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt, ein Bettler, wenn er nachdenkt!"

Die drei jungen Akteure, in einen blauen, roten und gelben Overall gewandet, beweisen an diesem Abend ihre mnemotechnische Leistung: Amy Grosz, Jennifer Weck und Luca Zaruba spielen mit Bühnenpräsenz auf hohem Niveau. Sie agieren in einer Szene aus Humperdincks "Hänsel und Gretel" ausgelassen tanzend, als rappendes "Sicherheits-Ballett" routiniert kühl, sie erzeugen Nachdenklichkeit aber auch Heiterkeit - wenn sie plötzlich in ihre Rollen der GG-Theaterproduktion von 2019 nach Gogols "Revisor" verfallen, zu Olga, Irina und Mascha mutieren und im Sprach-Stakkato "Wir sind Dobtschinski, Bobtschinski und Bobbytschinski" skandieren.

Selbst die Pandemie wird thematisiert in dem Stück, es geht um Abstandsregeln und Kontakt-Vermeidung, doch jäh folgt auf die Hygiene-Anweisung "Geben Sie niemandem die Hand" der Gassenhauer "Brüderlein, komm tanz mit mir, beide Hände reich ich Dir!"

Für die Technik sorgten Luisa Bussas, Leo Elsner, Jakob Wein und Willi Hefele. Zum Schluss gab es reichlich Applaus für Spieler und Regisseur. Gut denkbar, dass die Theatertruppe ein schmales Zeitfenster erwischt hat, in dem derartige Veranstaltungen (vorerst noch) möglich waren.

Bericht vom EK (22.11.2021)