"JOB SHADOWING"
Eichstätt/Castiglion Fiorentino (bei) „Wir leben den
Europa-Gedanken." Mit diesem kurzen Statement fasste Debora Moretti,
Lehrerin an einem italienischen Gymnasium, ihre vielfältigen Eindrücke
in Eichstätt zusammen. Für zwei Wochen war sie im Rahmen eines
EU-Förderprogramms am Gabrieli-Gymnasium beschäftigt. Angereist aus
Castiglion Fiorentino, einer Stadt in der Toskana, die von der
Einwohnerzahl in etwa Eichstätt entspricht, unterrichtete sie in der
Oberstufe des GG in ihrer Muttersprache vor Schülern, die Italienisch
als Unterrichtsfach haben. Es ging dabei um das italienische Schulsystem
oder auch die Geschichte Italiens. Darüber hinaus stand die
Opernsprache anhand von Verdis „Nabucco" auf dem Programm.Befragt
nach ihren Erfahrungen, gerät sie schier ins Schwärmen: Sie spricht von
disziplinierten und höflichen Schülern, aber auch davon, dass im Laufe
ihres Einsatzes die Schüler immer mehr den Mut entwickelt hätten,
italienisch zu sprechen. Sie hebt die herzliche Aufnahme im Kreis der
Kollegen hervor und zeigt sich begeistert von den angenehmen
Rahmenbedingungen: die schöne Architektur von Eichstätt mit den
intensiven Farben, die Jurahäuser, das „sehr gute Essen" und natürlich
auch das bayerische Bier.
Wie das europäische Förderprogramm
„Erasmus+", an dem das GG seit dem September 2015 teilnimmt, weiterhin
vorsieht, sollen die abgeordneten Lehrer auch durch Unterrichtsbesuche
(Job Shadowing) didaktische Erfahrungen sammeln. Moretti verweist dabei
auf eine Hospitation in der 5. Klasse: Gerade als Latein-Lehrerin habe
ihr gefallen, wie begeistert etliche Kinder von diesem Fach gewesen
seien. Insgesamt sei sie sehr davon angetan, dass am GG Latein ein
verpflichtendes Fach sei - in ihrer Heimat werde es mit der Akzeptanz
von Latein immer schwieriger.
Beim Vergleich der Schulsysteme habe
sie nachdenklich gestimmt, dass in Deutschland die Wahl der
weiterführenden Schulart sehr früh erfolge. In Italien falle die
Entscheidung, ob Gymnasium, Berufs- oder Technikerschule der richtige
Ausbildungsweg sei, erst nach insgesamt acht Jahren Grund- und
Mittelschule - und selbst da seien die Vierzehnjährigen doch noch
„Kinder". Wenn es um den Vergleich der Schüler insgesamt gehe, laute ihr
Fazit: „Wir sind uns ähnlicher, als wir denken". Und genau durch solche
Erfahrungen, vermittelt durch den persönlichen Kontakt, werde die
Europaidee erst lebendig.
Dies bestätigte auch die GG-Lehrerin Katrin
Pesch, die fast zeitgleich zwei Wochen an der italienischen
Partnerschule „Giovanni da Castiglione" verbracht hatte und dort, an der
Heimatschule von Debora Moretti, Biologie in deutscher Sprache
unterrichtet hatte. Auch sie sprach von einer „tollen Erfahrung" und
verwies dabei auf die interessierten und freundlichen Schüler.
Interessant fand sie, dass an den Lehrerkonferenzen im zweiten Teil
Eltern- und Schülervertreter teilnehmen konnten.
Der Unterricht
selbst schließe die Samstage ein, dafür entfalle in der Regel der
Nachmittagsunterricht. Im didaktischen Bereich sei aufgefallen, dass die
italienischen Kollegen eher dozierten, während am bayerischen Gymnasium
auch mit Medien oder in anderen Sozialformen gearbeitet werde. Dass der
Unterricht insgesamt erfreulich aufgelockert gewesen sei, habe
natürlich nicht zuletzt damit zu tun, dass keine Noten erteilt werden
mussten, wie Pesch schmunzelnd hervorhob.